Coronakrise: Diakonie-Direktorin Moser fürchtet Delogierungswelle

 
von Evangelischer Pressedienst

„Wir müssen lernen, mit Unsicherheit der Pandemie zu leben“

Wien (epdÖ) – Sorge vor einer Delogierungswelle in Folge der Coronakrise äußert Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. Armutsbetroffene Menschen seien jüngst noch tiefer in die Armut gerutscht und kämen nun schwieriger wieder heraus, erklärt Moser im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. Eine Studie der Armutskonferenz hatte gezeigt, dass in der Krise vor allem Menschen in schlecht bezahlten Berufen oder prekären Dienstverhältnissen durch Kündigungen, Kurzarbeit und den Ausfall von Zuverdienstmöglichkeiten Teuerungen besonders hart zu spüren bekommen. Positiv bemerkt Moser allerdings, dass ein Bewusstsein für psychische Belastungen in Gesellschaft und Regierungspolitik entstanden sei. So konnten Hilfsorganisationen wie die Diakonie Projekte zur Unterstützung der psychischen Gesundheit Jugendlicher starten, die allerdings nur bis April gefördert werden. „Nur wird die Pandemie leider Gottes im April nicht vorbei sein.“ Regierungsverantwortliche sollten Abstand nehmen von Versprechungen oder Prognosen über ein baldiges Ende der Pandemie. „Wir müssen lernen, mit dieser Unsicherheit zu leben“, sagt Moser.

Die Impfpflicht zum Schutz vulnerabler Gruppen sei wegen Versäumnissen der Bundesregierung notwendig geworden, erklärt die Diakonie-Direktorin. Die medizinische Versorgung nach Krebserkrankungen, Schlaganfällen oder Unfällen sichern zu können wiege schwer. „Es ist aber eine schwierige Abwägung gegen die körperliche Selbstbestimmung.“ „Wir sehen, dass die Impfung im Pflegebereich der Diakonie zwar nicht alles gelöst hat, weil es leider Impfdurchbrüche gibt, aber die Menschen erkranken in den allerseltensten Fällen schwer und es gibt jetzt kaum mehr Todesfälle. Die Situation vor einem Jahr war noch eine völlig andere.“ Menschen, für die eine Impfung medizinisch gefährlich sein könnte, seien allerdings gesetzlich wie moralisch von der Impfpflicht ausgenommen.

Besorgt wegen Push Backs

Besorgt ist die Diakonie-Direktorin über vermehrte Berichte von Push Backs an europäischen Grenzen, bei denen Menschen auf der Flucht wieder aus dem EU-Raum gedrängt würden. Auch Menschen auf der Flucht vor dem Nationalsozialismus seien an Grenzen zurückgestoßen worden: Die Genfer Flüchtlingskonvention sei aus der historischen Situation des Nationalsozialismus heraus geboren worden: „Es ist eine Ethik der Erinnerung, die zur europäischen Identität und Rechtslage gehört“, so Moser. Dass sich Österreich nicht an dem EU-Aufnahmeprogramm für Flüchtlinge aus Afghanistan beteiligt, bewege die Diakonie. Es sei jedoch gelungen, ein wenig Hilfe vor Ort durch die Kooperation mit Projektpartnern vor Ort zu leisten. Menschen, die westliche Staaten unterstützt, oder Frauen, die sich für Frauenrechte eingesetzt haben, müsse man trotzdem über humanitäre Korridore nach Europa holen. Nur so könne man das durch Schlepper verursachte Leid beenden.

Aus dem Recht zu leben folgt keine Pflicht zu leben

Bei der 2022 in Kraft tretenden gesetzlichen Möglichkeit einer Sterbeverfügung sei es gelungen, die richtige Balance zwischen Selbstbestimmung und dem Schutz vor Missbrauch sowie dem Schutz des Gewissens zu finden. „Niemand, der um Hilfe zum Suizid gefragt wird, muss dieser Bitte nachkommen, weder Einzelpersonen noch Organisationen“, erklärt Moser. Eine Entscheidung für eine Sterbeverfügung bezeichnet Moser ethisch als „tragic choice“. Es sei die Aufgabe der Diakonie, sich für ein lebbares Leben einzusetzen, aber aus dem Recht zu leben folge keine Pflicht zu leben. „Jeder Fall, bei dem ein Mensch die Entscheidung trifft, nicht mehr leben zu wollen, ist natürlich ein tragischer Fall. Uns in der Diakonie ist es wichtig, alles zu tun, damit Menschen sich für das Leben entscheiden.“ Zu einer freien Entscheidung gehöre auch die Möglichkeit einer guten Hospiz- und Palliativversorgung. „Aber auch hier kann man sich künftig nicht mehr hinter einem absoluten gesetzlichen Verbot der Assistenz zum Suizid verstecken“, so Moser.

„Gott beschenkt uns, damit wir Schenkende werden“

In Krisenzeiten werde das Thema Schenken auf die Seite geschoben, bemerkt Moser mit Blick auf das bevorstehende Weihnachtsfest. Sie erinnert an einen Satz des amerikanischen Theologen Miroslav Volf, nachdem „Gott uns beschenkt, damit wir selbst Schenkende werden können“. Schenken gehöre zum christlichen Grundgedanken, wie auch der Gedanke der Solidarität, erklärt Moser.

Die Diakonie bittet besonders zu Weihnachten um Spenden für ihre Projekte: diakonie.at/hoffnung-braucht-ein-ja

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