Vielfalt ist die Stärke und Herausforderung Wiens

Interview mit Bischof Bünker über die Evangelische Diözese A.B. Wien - Entnommen aus dem Magazin "Evangelisches Wien"

 
von Martina Schomaker
Michal Bünker, Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich.
Michal Bünker, Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich.

Diaspora-fest und pluralismus-fähig – so muss die Superintendenz Wien sein. Ein Interview mit Bischof Michael Bünker im Interview.

EVANGELISCHES WIEN : Wie oft sind Sie in der Wiener Superintendentur? 

MICHAEL BÜNKER : Ich bin eher selten in der Hamburgerstraße, meist zu Tagungen und Sitzungen. Ich schätze die Gastfreundschaft dort, mir gefällt die Umgestaltung der Räume sehr gut. Ich freue mich auch, dass die Jugend jetzt das Café hat. Ich finde es ganz wichtig, so nach außen zu gehen und offene Türen zu haben. Sonst läuft die Kommunikation sehr oft über elektronische Medien oder übers Telefon.

EVANGELISCHES WIEN : Warum ist diese „Landesbehörde“ strukturell wichtig?

MICHAEL BÜNKER : Sie ist extrem wichtig, weil die Stadt Wien selbst schon eine Sonderstellung innehat. Sie ist Landeshauptstadt, es ist zugleich Bundeshauptstadt. Das ergibt auch kirchlich eine gewisse Besonderheit. Wien ist der Sitz der gesamtkirchlichen Leitung und Sitz der diözesanen Kirchenleitung. Was Stadt- oder was Bundeshauptstadt-Angelegenheit ist, das ist manchmal eine Frage, die zu klären ist.

EVANGELISCHES WIEN : Welches Potenzial zeichnet die Wiener Superintendenz aus?

MICHAEL BÜNKER : Wien ist stark von Migration geprägt – aus dem Inland wie aus dem Ausland. Und alle finden sich auch in der Evangelischen Kirche wieder. Das heißt, die Vielfalt innerhalb der Evangelischen Gemeinden mit den Menschen mit unterschiedlichen Traditionen spielt in Wien eine besondere Rolle und das ist meiner Meinung nach Wiens Potenzial. Auf der einen Seite diaspora-fest, aber auch pluralismus-fähig zu sein. Beides braucht´s.

Das ist nicht einfach. Wie kann man sich der eigenen Stellung, Tradition und Identität gewiss sein und dies gleichzeitig nicht als Abgrenzung, womöglich sogar als Gegensatz zu anderen definieren, sondern als Offenheit?

Ich freue mich besonders, dass gerade in Wien etwa der Kontakt zur römisch-katholischen Kirche, überhaupt der ökumenische Aufbruch, eine große Tradition hat und dass es ein lebendiges Miteinander mit der jüdischen Gemeinde gibt, mit dem Islam und mit der gesamten Vielfalt christlicher Kirchen und anderen Religionen.

Und ich begrüße ich sehr, auch wenn es schmerzhaft ist, die Entwicklung, dass die Wiener Gemeinden auf Niederösterreichischem Gebiet zur Superintendenz Niederösterreich gehören. Es geht seit September 2015 wirklich um die Stad. Es gibt so viele Herausforderungen durch die rasante Stadtentwicklung: die Bevölkerung nimmt zu, der Anteil der Evangelischen leider nicht. Insofern gibt es in Wien Aufgaben genug.

EVANGELISCHES WIEN : Wo könnte das Potenzial besser genutzt werden?

MICHAEL BÜNKER : Wir haben im Rahmen der Visitation vor einigen Jahren Beobachtungen gemacht und Empfehlungen gegeben. Zum Beispiel in der Erreichbarkeit. Was wäre, wenn es für ganz Wien nur eine Nummer gebe, die wochentags ganztägig erreichbar ist? So wie es andere Einrichtungen haben, die Mitglieder betreuen. Hinter diesem Gedanken steckt die Empfehlung, etwas zu versuchen, das „Evangelisch in Wien“ heißt – nicht in Favoriten, Floridsdorf oder Döbling. Auch im Pluralismus innerhalb des Protestantismus gibt es „limits of diversity“: Verschiedenheit ist positiv, Schwerpunktsetzungen der Gemeinden sind zu begrüßen, um die Kräfte zu bündeln.

Ich glaube, die einfachen Gemeinde-Grenzen sind in der Art, wie ich mein Evangelisch-Sein heute lebe, nicht mehr so entscheidend wie im 19. Jahrhundert. Die Menschen sind mobil. Sie werden dort hingehen, wo sie sich zu Hause fühlen und wo es gerade in ihrer biographischen Situation passt. Junge Familien mit Kindern gehen in die Gemeinde X, Leute die klassische Kirchenmusik lieben, gehen in die Gemeinde Y. So wird die Pluralität nicht eingeebnet, sondern im Gegenteil, sie wird verstärkt, in dem man das Gemeinsame stärkt.

EVANGELISCHES WIEN : Was wünschen Sie der Wiener Superintendenz zum 70-Jahr-Jubiläum im Jahr 2016?

MICHAEL BÜNKER : Ich bin erst einmal dankbar für die gute Zusammenarbeit. Ich wünsche der Wiener Superintendenz, dass sie weiter auf diesem Weg bleibt, in der Stadt sichtbar und erfahrbar zu machen, was es heißt, heute evangelisch zu sein und aus evangelischem Glauben verantwortungsvoll am städtischen Leben teilzunehmen.

 
EVANGELISCHES WIEN : Vielen Dank für das Interview.

Die Fragen stellte und das Foto schoss: Martina Schomaker

Weitere Artikel

Nach Oben