Chalupka: Kirche als Erprobungsraum einer besseren Welt
Abschiedsempfang zu Ehren des scheidenden Bischofs
Wien (epdÖ) – Anlässlich der Verabschiedung von Bischof Michael Chalupka hatte die Evangelische Kirche am Freitagabend, 7. November, zu einem Empfang ins Wiener Albert Schweitzer Haus geladen. Gekommen waren zahlreiche Wegbegleiter:innen, Mitarbeitende und kirchenleitende Personen aus der Evangelischen Kirche, aus der Ökumene und aus Kirchen der Nachbarländer. Chalupka, der 2019 in das Bischofsamt gewählt wurde und nun nach Erreichen der Altersgrenze seine Pension antritt, erinnerte bei dem Empfang an die große evangelische Theologin Susanne Heine, die er ebenso wie die neue Bischöfin Cornelia Richter an der Universität als Lehrerin erlebt hatte. Heine habe davon gesprochen, dass in der Bibel Lebenserfahrungen der Menschen „eingefroren“ seien. Es brauche Menschen, die „diese Erfahrungen wieder auftauen“, sagte Chalupka. Die Aufgabe als Christ:in bzw. als Theolog:in bestehe darin, „die Erfahrung der Versöhnung, Errettung und Veränderung wieder fruchtbar zu machen für unsere Zeit“. Gerade in der Evangelischen Kirche, so Chalupka, „erproben wir immer wieder neue Welten und eine andere Art zu leben“. Im besten Fall sei „die ganze Kirche ein Erprobungsraum und Experimentierfeld einer besseren Welt“, so der scheidende Bischof.
Wolfgang Lutz: Fokus auf Bildung
Wolfgang Lutz: „Das Erfolgsrezept der letzten 500 Jahre hat auch Priorität für die Zukunft.“ (Foto: epd/Uschmann)
Auf dem Programm des Abends, das Chalupka konzipiert hatte, stand ein Vortrag des Demografen Wolfang Lutz. Luthers Reformation habe über den Umweg der Alphabetisierung nachhaltig auf Gesellschaft und Politik gewirkt, erklärte der international renommierte und mehrfach ausgezeichnete Wissenschaftler. Alphabetisierung sei dabei weiter zu fassen als nur das Lesen von Texten, sie mache das Hirn „deutlich leistungsfähiger, schneller und flexibler“. Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten in der heutigen Welt, das rasante Tempo bei der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz und andererseits die viel langsameren sozialen Veränderungen führten global betrachtet zu Spannungen und Verunsicherungen, ausgeprägtem Pessismismus und Abstiegsängsten, konstatiert Lutz. Hier sieht der Wissenschaftler auch eine Aufgabe der Kirche, ein „wissenschaftsbasiertes und korrekteres Bild von Zukunft“ aufzuzeigen. Das alte Prinzip „Not lehrt beten“ gelte heute offenbar nicht mehr, meinte Lutz angesichts der Entwicklung der Mitgliederzahlen in den Kirchen. Die fortschreitende Säkularisierung sei ein „Megatrend“, der nicht nur die Evangelische Kirche in Österreich betreffe. Dennoch komme Kirchen hier eine wichtige Funktion zu, „die Bildung zu steigern und damit die Fähigkeit, sich selbst und anderen helfen zu können“. Was das Erfolgsrezept der letzten 500 Jahre sei, bleibe auch Priorität für die Bewältigung der Zukunft, meinte Lutz. Mit einem starken Fokus auf Bildung könne die Evangelische Kirche auch bei sinkenden Mitgliederzahlen „Sauerteig der Gesellschaft“ sein.
Ehemalige enge Mitarbeitende sprachen über den „Auftrag der Kirche“, v.l. Stefan Haider, Johannes Modeß, Eva Harasta und Patrick Todjeras. (Foto: epd/Uschmann)
Über den „Auftrag der Kirche“ diskutieren in einer Gesprächsrunde ehemalige enge Mitarbeitende von Bischof Michael Chalupka. Die Theologie habe die Aufgabe, die Glaubenstradition in die Gegenwart hineinzuversetzen, erklärte die ehemalige theologische Referentin des Bischofs, Eva Harasta, die nun für den Lutherischen Weltbund tätig ist. Es brauche „Utopien, nicht nur Prognosen“, meinte Pfarrer Patrick Toderas, Leiter des Werkes für Evangelisation und Gemeindeaufbau. Der Auftrag der Kirche bestehe darin, bei einem „lebendigen, mündigen Christsein zu assistieren, da zu sein“. Der Modus der Klage mache dabei kurzatmig, wichtig für die Diagnose sei die Expertise der Diakonie als „Expert:innen des Alltags, wo jetzt Not ist“. Eva Harasta warnte in der von Pfarrer Johannes Modeß moderierten Diskussion vor einer Kirche, die „zu zufrieden mit sich selber“ sei. Im „Herzen der Kirche“ sieht sie die „Gottesliebe“, es könne keine Vision entwickelt werden, „die ohne dieses wilde Gefühl der Gottesliebe auskommt“. Stefan Haider, zuletzt theologischer Referent von Bischof Chalupka und nun Vikar in der Lutherischen Stadtkirche, sprach von einer Kirche, „die auf Beziehung achtet“, Solidarität sei dabei ein wichtiges Schlagwort für die künftige Kirche.
Musikalisch gestalteten den Abend Musiker:innen der Johann Sebastian Bach Musikschule.