Hakenkreuz auf Holocaust-Gedenktafel in Leopoldstadt

Superintendent Lein: "Wir dulden keinen Antisemitismus" - Evangelische Pfarrgemeinde erstattet Anzeige

 
von Martina Schomaker
Pfarrerin Ursula Arnold zeigt die "Schweinerei".
Pfarrerin Ursula Arnold zeigt die "Schweinerei".

Ein Hakenkreuz aus vielen Strichen im Messing eingeritzt, dahinter „Hitler“, davor in dünnen Linien „Heil“. „Das ist eine große Schweinerei“, sagt Pfarrerin Mag. Ursula Arnold. „Das ist eine Schändung.“ Das NS-Symbol und der NS-Gruß sind auf eine Gedenktafel für die jüdischen Opfer des NS-Regimes gekratzt worden, die an der Evangelischen Verklärungskirche, Am Tabor 5, hängt.

Die Pfarrgemeinde hatte die Tafel gemeinsam mit dem Verein „Steine der Erinnerung“ 2009 am Eingang der Kirche angebracht. Am vergangenen Samstag, 9. November, dem 75. Gedenktag der Reichspogromnacht, entdeckten Pfarrer Mag. Willi Thaler und Pfarrerin Arnold mit Konfirmanden „die Schweinerei“. In den Tagen kurz zuvor müsse jemand die menschenfeindliche Botschaft dort eingeritzt haben, vermutet die 55-Jährige. Eine Anzeige gegen Unbekannt hat die Pfarrgemeinde bereits erstattet.

„Wir wollen nicht wieder Wegsehen wie vor 75 Jahren – wir prangern die Tat an“, sagt Pfarrerin Arnold. Seit insgesamt 16 Jahren ist sie Seelsorgerin in der Evangelischen Pfarrgemeinde Wien Leopoldstadt und Brigittenau. Sie kennt den Wiener Bezirk und sie sieht, wie sich die Dinge ändern, wie das jüdische Leben zurückkehrt – und die Vorurteile wieder zunehmen.

„In den vergangenen Jahren wurden Häuser an die jüdischen Besitzerfamilien zurückgegeben, koschere Supermärkte siedeln sich hier im II. Bezirk vermehrt an, man sieht Männer und Buben mit Beikeles, den Schläfenlocken, auf der Straße“, erklärt Pfarrerin Arnold. „Ich finde das ganz selbstverständlich, aber man hört auf der Straße auch kritische Töne.“ Die Rückkehr des jüdisch-orthodoxen Lebens errege auch Widerstand – wie die Schändung der Gedenktafel zeige. Für das Leitungsteam der Pfarrgemeinde, den drei Geistlichen und dem weltlichen Kurator, ist klar: „Wir wollen das nicht.“ Sie wollen die Tat nicht als vermeintlich jugendliche Schmiererei oder ähnliches abtun, sondern darauf aufmerksam machen.

„Schon im Kleinen fängt der Antisemitismus an – und auch im Kleinen dulden wir ihn nicht“, unterstützt Superintendent Mag. Hansjörg Lein die Pfarrgemeinde im II. Bezirk. Wobei in Hinblick auf den Schaden nicht von „klein“ die Rede sein kann – waren die Kosten der Messingtafel  für die Gemeinde nicht unerheblich.

„Wir beraten jetzt mit dem Verein ‚Steine der Erinnerung‘ und am Mittwoch in der Gemeindevertreter-Versammlung, wie wir weiter verfahren“, sagt Pfarrerin Arnold. Eine Gedenktafel für die jüdischen Opfer des Naziregimes, die auch Teil des „Weges der Erinnerung durch die Leopoldstadt“ ist, solle es in jedem Fall weiterhin geben.

Fotos und Text: Martina Schomaker

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