Pilotprojekt in Wien: Interreligiöser Religionsunterricht in vier Schulen erprobt

Geist: „Hoffnung und Vertrauen im Religionsunterricht gestärkt“
Wien (epdÖ) – Expertinnen und Experten aus fünf Religionsgemeinschaften haben in Zusammenarbeit mit der Kirchliche Pädagogische Hochschule Wien/Niederösterreich (KPH) Wien/Niederösterreich ein neues Unterrichtsmodell aufgesetzt, das verschiedene religiöse und weltanschauliche Perspektiven in einen Dialog bringt. Das Pilotprojekt „diaRU – dialogisch-interreligiöser authentischer Religionsunterricht“ widmet sich der Frage: Was braucht ein zeitgerechter Religionsunterricht in einer Gesellschaft, die vielfältiger ist denn je?
An vier Wiener Pflichtschulen wurde das Modell im gerade zu Ende gehenden Schuljahr erstmals praktisch erprobt. Die Ergebnisse sind positiv, wie das Schulamt der Erzdiözese Wien und die KPH am Mittwoch, 25. Juni, in zwei Aussendungen mitteilten.
Demzufolge wurden in drei Volksschulen und einem Sonderpädagogischen Zentrum katholische bzw. orthodoxe Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit muslimischen Mitschülerinnen und Mitschülern unterrichtet. Für mehrere Unterrichtseinheiten standen Lehrpersonen aus unterschiedlichen Religionen gemeinsam in der Klasse. Dabei lag der Fokus auf Austausch und Begegnung, wenn die Schülerinnen und Schüler in den gemeinsamen Stunden über Glaubens- und Lebensfragen reflektierten. An dem Projekt beteiligt sind neben dem Wiener Erzbischöflichen Amt für Schule und Bildung das evangelische Schulamt, das orthodoxe Schulamt, das Schulamt der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich sowie das Schulamt der alevitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich.
„Religionsunterricht ist immer mehr als Wissensvermittlung“, betont Andrea Pinz, Leiterin des Erzbischöflichen Amts für Schule und Bildung. Der konfessionelle Religionsunterricht leiste einen wichtigen Beitrag für die Wertebildung von Kindern und Jugendlichen. Zudem sei er ein Ort für Begegnung und Dialog. Gerade in einer pluralen Gesellschaft brauche es aber auch „ergänzende Unterrichtsformate, die in besonderer Weise Brücken schlagen“, hob die Schulamtsleiterin die Bedeutung des neuen Pilotprojekts hervor. „Kooperative Modelle wie ‚diaRU‘ zeigen, wie sich der Religionsunterricht zukunftsorientiert weiterentwickelt“, so Pinz.
Die Schule bereite Kinder für die Teilhabe an einer religiös, ethnisch, sozial und kulturell diversen Gesellschaft vor. „Sie sollen zu respektvollen, dialogfähigen Menschen heranwachsen und Verantwortung und Solidarität einüben“, unterstrich Pinz. Dazu leiste der Religionsunterricht einen wesentlichen Beitrag.
„Der Hoffnungsgedanke verbindet die Religionen miteinander. Hoffnung und Vertrauen sind wichtiger denn je – für jeden und jede einzelne von uns genauso wie für die Gesellschaft. Beides wird für Tag für Tag im Religionsunterricht gestärkt und in besonderer Weise in diesem interreligiösen Projekt“, ist der Wiener Superintendent und Wiener Schulamtsleiter Matthias Geist überzeugt. Er sieht es als Auftrag und als besondere Chance „gerade für Minderheiten wie die Evangelische Kirche“ Brücken zu bauen, sich für ein respektvolles Miteinander auf Augenhöhe einzusetzen und für sinnstiftende Angebote zu sorgen.
Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von der KPH Wien/Niederösterreich. Unter Federführung der KPH wird demnach auch das maßgeschneiderte Unterrichtsmaterial entwickelt. Forschung und Datenerhebung sind mit Unterrichtspraxis und Materialentwicklung verschränkt. Laut KPH zeigten die ersten Ergebnisse der Datenauswertung einen positiven Blick auf das gemeinsame Erleben, und die Schüler hätten eine große Freude an den gemeinsamen Unterrichtseinheiten. Darüber hinaus seien die Rückmeldungen der Religionspädagoginnen und -pädagogen durchwegs positiv.
„In unserer zunehmend pluralen Gesellschaft kommt dem Religionsunterricht besondere Bedeutung zu, wenn es darum geht, Identitätsbildung im schulischen Kontext bestmöglich zu begleiten“, zeigte sich KPH-Rektorin Ulrike Greiner in einer eigenen Aussendung überzeugt. Religiöse Bildung sei gesellschaftlich hochrelevant. „Unser Projekt ‚diaRU‘ stützt sich auf ein religionspädagogisches Modell, das Vielfalt als Ressource begreift und pädagogisch fruchtbar macht“, bekräftigte die Rektorin. Die KPH leiste einen wesentlichen Beitrag zur zukunftsorientierten Weiterentwicklung des Religionsunterrichts.
Das Projekt wird im kommenden Schuljahr fortgesetzt. So werden in zwei Volksschulen katholische und muslimische Schüler in gemeinsamen Unterrichtseinheiten unterrichtet, in zwei Gymnasien sind es jeweils evangelische und muslimische Schüler.