Theologin Guanzini: „Leid der Opfer als Auftrag an die Gegenwart“
Ökumenischer Gedenkgottesdienst in der Ruprechtskirche erinnerte an Novemberpogrome vor 87 Jahren
Wien (epdÖ) – „Im Gedenken an die Novemberpogrome von 1938 bedeutet diese Erinnerung nicht nur zu trauern, sondern das Leid der Opfer als Auftrag an die Gegenwart zu verstehen“, sagte Isabella Guanzini, Professorin für Fundamentaltheologie an der Katholischen Privatuniversität Linz, bei einem ökumenischen Gedenkgottesdienst am 9. November – dem 87. Jahrestag der Novemberpogrome 1938 – in der Ruprechtskirche in der Wiener Innenstadt.
Das Gedenken an die Novemberpogrome könne auch eine heilende Bedeutung haben, betonte Guanzini bei dem von Hochschulseelsorgerin Katharina Payk, Evangelische Hochschulgemeinde Wien, und Pater Alois Riedlsperger, Rektor der Ruprechtskirche, geleiteten Gottesdienst im Rahmen der Bedenkwoche zu „Mechaye Hametim – Der die Toten auferweckt“. Musikalisch wurde der ökumenische Gottesdienst von Klavier, Klarinette und zwei Violinen sowie vom Gesangsensemble der Gemeinde St. Ruprecht unter der Leitung von Mariela Riedl-Friedrich gestaltet.
Anschließend fand ein Schweigegang zum Mahnmal auf dem Judenplatz statt. Dabei nahmen die Teilnehmenden eine brennende Kerze mit und zogen schweigend zum Judenplatz, wo die Kerzen als Gedenklichter beim Mahnmal für die ermordeten Juden aufgestellt wurden. Dort wurde das Musikstück „Hashkivenu“ (hebräisch הַשְׁכִּיבֵנוּ ; „lasse uns […] niederlegen“) gesungen.
Mit zahlreichen Veranstaltungen gedenken dieser Tage Christinnen und Christen den antisemitischen Novemberpogromen. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden alle jüdischen Bethäuser Wiens (mit Ausnahme des Stadttempels) zerstört. Zahlreiche Juden wurden bei den Pogromen getötet oder verletzt. Allein in Wien wurden im Zuge des Furors insgesamt 42 Synagogen und Bethäuser zerstört. 6.547 Wiener Juden wurden verhaftet, rund 4.000 von ihnen wurden in das Konzentrationslager Dachau verschleppt.
Seit vielen Jahren erinnert die Gemeinde St. Ruprecht in Wien in Kooperation mit anderen christlichen Institutionen in den Bedenktagen „Mechaye Hametim – Der die Toten auferweckt“ an diese Ereignisse und die Shoah, auch im Wissen um die Mitverantwortung von Christinnen und Christen.