"Mehr Geschlossenheit und Einheit ist dringend geboten"

Wort des Superintendenten auf der Superintendentialversammlung

 
von Martina Schomaker
Superintendent Mag. Hansjörg Lein forderte...
Superintendent Mag. Hansjörg Lein forderte...

Wort des Superintendenten

bei der Wiener Superintendentialversammlung am 15. November 2014

Liebe Delegierte der Superintendentialversammlung!

Bei uns zu Hause singen wir immer wieder folgendes Lied vor dem gemeinsamen Essen, besonders gerne, wenn Gäste mit Kindern dabei sind:

„Miteinander essen, das mag schön sein,  und zu Tische sitzen lieben wir.

Gaben lasst uns teilen  und auch noch verweilen,  schön dass wir zusammen sind!“

Dieses MITEINANDER in einer Gemeinschaft ist es ja, was uns als Gemeinde Jesu Christi, als Kirche ausmacht. In diese Gemeinschaft sind wir aufgenommen durch unsere Taufe. Eine konkrete Ortsgemeinde oder Personalgemeinde, eine Kirche mit einem konkreten Bekenntnis in einem bestimmten Land, in der Verbundenheit mit der weltweiten Christenheit.

Der besondere Ort dieser Gemeinschaft ist die Feier des Abendmahls, bei der alle Eingeladenen völlig gleichberechtigt und einmütig sich beschenken und stärken lassen von Jesus Christus selbst.

Schwieriger wird es mit unserer Gemeinschaft im alltäglichen Leben und Arbeiten in der Gemeinde, in der Organisation Kirche auf allen Ebenen und in allen Bereichen.

In den vergangenen Monaten habe ich außerordentlich heftig erleben müssen, wie komplex und mühsam das Zusammenleben in einzelnen Pfarrgemeinden werden kann. Ich meine damit vor allem die KOMMUNIKATION zwischen Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen, von Presbytern mit Pfarrern, aber auch zwischen Pfarrern untereinander, die Kommunikation in der Pfarrkanzlei, bei Sitzungen, bei diversen Teambesprechungen.

Wir möchten ja im Prinzip alle gut und harmonisch miteinander auskommen, wir möchten unseren Auftrag erfüllen, wir möchten für andere Menschen da sein in der Seelsorge, im Religions- und Konfirmandenunterricht, in den vielen Gruppen und Kreisen, im Gottesdienst, bei Taufen und Beerdigungen. Als Ehrenamtliche bemühen wir uns um das inhaltliche und wirtschaftliche Wohl der Gemeinschaft, um die Gestaltung von Kirchen- und Gemeinde-Räumen, ebenso um die notwendige Infrastruktur und Öffentlichkeitsarbeit. Nicht zu vergessen die jährlichen Flohmärkte und Adventverkaufsstände, die vielen Feste und Mitarbeitertreffen.  Und ,  und ,  und ….  vieles andere mehr, was uns beschäftigt , wo wir alle viel Liebe, Kreativität, Zeit und Energie aufwenden – alles zum Leben und Wohl der kirchlichen Gemeinschaft.

Unser größtes Problem ist leider manchmal die KOMMUNIKATION, das Miteinander-Auskommen. Sie funktioniert eben manchmal nicht, es gibt Missverständnisse,  unterschiedliche Meinungen, die offen aufeinanderprallen oder verdeckt hintenherum ausgetragen werden – zum Beispiel durch abendliche oder nächtliche E-Mails, oft gleich in cc an mehrere andere, womit ein Konflikt zwischen zwei Menschen zu eskalieren beginnt. In offiziellen Sitzungen möchten manche verständlicherweise möglichst sachlich bleiben und Emotionen vermeiden.

Dazu hat Ruth Cohn schon vor 40 Jahren in einem Standardwerk geschrieben:

„Störungen haben de facto den Vorrang. Störungen fragen nicht nach Erlaubnis, sie sind da: als  Schmerz,  als Freude,  als Angst,  als Zerstreutheit;  die Frage ist nur, wie man sie bewältigt.

Antipathien und Verstörtheiten können den einzelnen versteinern und die Gruppe unterminieren;  unausgesprochen und unterdrückt bestimmen sie Vorgänge in Schulklassen, in Vorständen, in Regierungen.

Verhandlungen und Unterricht kommen auf falsche Bahnen oder drehen sich im Kreis. …..Das Postulat, dass Störungen und leidenschaftliche Gefühle den Vorrang haben, bedeutet, dass wir die Wirklichkeit des Menschen anerkennen;   und diese enthält die Tatsache, dass unsere lebendigen, gefühlsbewegten Körper und Seelen Träger unserer Gedanken und Handlungen sind.  Wenn diese Träger wanken, sind unsere Handlungen und Gedanken so unsicher wie ihre Grundlagen...

Die unwahrscheinliche Anzahl von kleinen Verstimmungen, die aus irgendeinem Grunde nicht gesagt werden und sich zu Schützengräben und Festungswällen verfestigen,  durch die Menschen,  Beziehungen und Arbeit leiden, ist auch geübten Gruppenleitern immer wieder ein fast unglaubliches Erlebnis.“

Zu meinen Aufgaben als Superintendent gehört laut Kirchenverfassung unter anderem:

„der geschwisterliche Ausgleich bei Unstimmigkeiten zwischen kirchlichen Amtsträgern untereinander und anderen Gemeindegliedern.“

Auch beim Wirkungskreis des Superintendentialausschusses heisst es:

„die Verhandlung und Schlichtung von Streitfällen zwischen Pfarrern und Pfarrerinnen, Lehrern und Lehrerinnen, Presbyterien und Gemeindevertretungen untereinander oder mit einzelnen Gemeindegliedern.“

Zum Glück gibt es heutzutage genügend professionelle und erfahrene SupervisorInnen und MediatorInnen, die wir als Einzelperson, als Team oder als Gruppe beanspruchen können. Hier erlebe nicht nur ich immer wieder ein hilfreiche und für alle Beteiligten segensreiche Bearbeitung und Begleitung von zwischenmenschlichen und strukturellen Schwierigkeiten.

Die schon seit Jahren mögliche finanzielle Unterstützung durch unsere Gesamtkirche möchte ich einmal dankend hervorheben!

Ein begeistertes Miteinander, das kraftvoll und ansteckend wirkt auf alle Menschen, mit denen wir es als Mitarbeitende in Gemeinde, Schule, in den diversen Arbeitsgebieten zu tun haben,  ist nur möglich, wenn uns  die innerkirchliche Kommunikation gut gelingt. Heftige Reibungsverluste untereinander können wir uns als kleine evangelische Schar schon gar nicht leisten !  Mehr Geschlossenheit und Einheit ist dringend geboten!

Bei Dietrich Bonhoeffer habe ich folgendes Zitat aus dem Jahr 1943 gefunden:

„Das Miteinanderauskommen, ohne sich gegenseitig den Schädel einzuschlagen, ist die eigentliche Aufgabe des Lebens. Wie ahnungslos ist derjenige, der darin nur Schwäche und feiges Nachgeben sieht.

Nein, gerade hier wird wirklich gekämpft und gerungen, oft lange, zäh, unendlich mühsam, ehe man einen Schritt weitergekommen ist.

Hier allein ist das Feld, auf dem sich der Charakter erweist und bildet.

H ier wird nicht zerstört, sondern aufgebaut, allerdings kein Traum- und Phantasiereich, sondern die Welt des wirklichen Zusammenlebens der Menschen.“

Ich erinnere gerne an den ersten Grundsatz unserer Kirchenverfassung:

„Die Evangelische Kirche hört, bekennt und verkündigt das Evangelium von Jesus Christus. Sie ist in allen ihren Gliederungen Kirche, die lernt und lehrt, dient, feiert und Gemeinschaft lebt.“

Wir können freilich nicht alles gleichzeitig tun. Heute geht es mir vor allem um das zentrale Wort „Gemeinschaft“.

In diesem Sinn wünsche ich uns als Superintendentialgemeinde Wien ein gutes Miteinanderauskommen auch weiterhin.

Immerhin spricht es jede und jeder von uns oft genug aus im GLAUBENSBEKENNTNIS -  wenn wir sagen:

„Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen.“

Der dreieinige Gott helfe uns dabei, diesen Glauben wirklich zu leben !

Text: Mag. Hansjörg Lein, Superintendent
Foto: Martina Schomaker

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