Zwischen Schule und Gemeinde: Der Druck auf Pfarrerinnen und Pfarrer ist hoch

Fachinspektorin Ebmer fordert mehr Verständnis und Unterstützung seitens der Pfarrgemeinden

 
von Martina Schomaker
Fachinspektorin Gisela Ebmer hält einen Vortrag zur Situation der PfarrerInnen in Wien zwischen Schule und Pfarrgemeinde...
Fachinspektorin Gisela Ebmer hält einen Vortrag zur Situation der PfarrerInnen in Wien zwischen Schule und Pfarrgemeinde...

„Der Druck auf die Pfarrerinnen und Pfarrer ist hoch“, sagte Fachinspektorin Prof. Mag. Gisela Ebmer am Samstag, 15. November, auf der Superintendentialversammlung im Evangelischen Gymnasium Simmering (lesen Sie zur Versammlung den nachfolgenden Bericht – Sie finden ihn hier mit einem Klick). Sie beschrieb die Situation der Wiener Pfarrerinnen und Pfarrer, die nicht nur in einer Pfarrgemeinde arbeiten, sondern auch eine Lehrtätigkeit an einer oder mehreren weiterführenden Schulen ausüben.

Anschaulich erklärte die Fachinspektorin des Evangelischen Schulamts Wien, wie vielseitig die Doppelbelastung ausfällt:  administrativem, pädagogischem, emotionalem und zeitlichem Druck seien die Geistlichen ausgesetzt. Die meisten PfarrerInnen geben acht Unterrichtsstunden pro Woche. „Mit je einer Stunde zusätzlicher Vorbereitungszeit müssen die Pfarrerinnen und Pfarrer insgesamt 16 Stunden in die Lehrverpflichtung investieren.“ Das sind 40 Prozent einer 40-Stunden-Woche. „Für die Gemeindearbeit bleiben dann noch 24 Stunden pro Woche“, rechnete Ebmer vor.

Doch: Wie sähe ein „Evangelisches Wien“ aus, indem die Pfarrerinnen und Pfarrer keine Lehrverpflichtung in Schulen hätten und sich ausschließlich der Gemeindeleitung widmeten? „Um diese von Pfarrerinnen und Pfarrern gegebenen Stunden aufzufangen, benötigte man zusätzliche 13 evangelische Vollzeit-LehrerInnen, die es derzeit nicht gibt.“ Außerdem zahlt bisher der Staat den Anteil des PfarrerInnen-Gehalts, den die Geistlichen anteilig in der Schule verbringen, was meist 40 Prozent sind. Würde der Schuldienst aufgegeben und die PfarrerInnen zu 100 Prozent in der Gemeinde arbeiten, so müsste die Evangelische Kirche Österreich auch das Gehalt zu 100 Prozent zahlen. Um diese finanziellen Mittel aufzubringen, müssten in der Diözese Wien 14 Pfarrstellen gestrichen werden. Es könnten dann nur noch 20 Vollzeit-Pfarrstellen für alle 22 Pfarrgemeinden in Wien realistischer Weise bezahlt werden.

Darum plädierte die Fachinspektorin zu einem erneuerten Bewusstsein, was der Religionsunterricht alles leisten kann, nämlich: Evangelische Identitätsbildung, vertiefte Mitgliederbindung, Kontakt zu Nicht-Evangelischen (derzeit seien 16 Prozent der SchülerInnen im Evangelischen Religionsunterricht ohne Bekenntnis) und ein Beitrag zur Öffentlichkeitsarbeit. „Pfarrerinnen und Pfarrer sind Aushängeschilder für die evangelische Kirche“, so Ebmer. Sie forderte die Pfarrgemeinden auf, die geistliche Leitung auch in ihrer Lehrtätigkeit zu unterstützen. Wie genau das aussehen kann, das sollten die Gemeindeglieder mit ihren PfarrerInnen besprechen, sagte Ebmer auf Nachfrage in der anschließenden Diskussion. Auf jeden Fall sollte in den Gemeinden  ein wohlwollendes Verständnis für die Lehrtätigkeit der Pfarrerinnen und Pfarrer herrschen.

Neben Pro- und Contra-Argumenten zur Zusammenarbeit zum Beispiel mit islamischen Religionslehrenden und zum zusätzlichen oder den Religionsunterricht ersetzenden Unterrichtsfach „Ethik“ sowie neben Beiträgen zur künftigen LehrerInnenausbildung, sprach sich Religionslehrerin Dr. Katja Eichler in der Diskussion für eine verstärkte Vernetzung zwischen VolksschullehrerInnen im Unterrichtsfach Evangelische Religion, PfarrerInnen und RelgionslehrerInnen an weiterführenden Schulen durch und in der Pfarrgemeinde aus. „Ich betreue sechs Schulen – es wäre zum Beispiel schön, wenn ich die Gemeindebriefe aus den betreffenden Pfarrgemeinden bekäme. Dann wäre ich bezüglich der Termine und Angebote in den Pfarrgemeinden meiner Schülerinnen und Schüler auf dem neuesten Stand.“

„Religionsunterricht ist Gemeindearbeit“, sagte Pfarrer Mag.  András Vetö aus Floridsdorf in der Diskussion. Der  Pfarrer mit voller Lehrverpflichtung betonte, dass PfarrerInnen, die keine Schule in ihrem Gemeindegebiet betreuen, sondern im Nachbargemeindegebiet, auch Gemeindearbeit betrieben, nämlich auf der Ebene der Superintendentialgemeinde. Er sprach sich für mehr Offenheit und ein wienweites Gefühl der Zusammengehörigkeit aus und erntete den Applaus der Anwesenden.

Superintendent Mag. Hansjörg Lein bedankte sich bei Fachinspektorin Ebmer für ihren anschaulichen Vortrag. „Ein Highlight der Versammlung“, so der Superintendent.

Text und Fotos: Martina Schomaker

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