Europäische Toleranzgespräche: Fresach verabschiedet neue „Weltordnung“

 
von Evangelischer Pressedienst

Gelingendes Miteinander in einer Demokratie benötigt jeden Einzelnen

Villach/Fresach (epdÖ) – Mit der Verabschiedung eines Grundsatzpapiers für ein neues Verständnis der gegenwärtigen Weltlage endeten die Europäischen Toleranzgespräche 2025. Die „Fresacher Weltordnung“ liefert Erklärungen für die historische Entwicklung und Vorschläge für die Zukunft Europas in einem zunehmend stürmischen Umfeld.

Der „alte Westen“ habe vieles verklärt und vielleicht strategisch falsch eingeschätzt, doch nach dem Zweiten Weltkrieg eine funktionierende, regelbasierte Welt auf Grundlage gegenseitigen Respekts und globaler grenzüberschreitender Zusammenarbeit aufgebaut, heißt es in dem Dokument, das das Kuratorium der Kärntner Demokratiewerkstatt „Denk.Raum.Fresach“ am Samstag, 7. Juni, veröffentlicht hat. Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine, der Zoll- und Handelskrieg der aktuellen US-Administration, die Aufkündigung internationaler Verpflichtungen und Sicherheitsgarantien und vieles mehr hätten jahrzehntelang aufgebautes Vertrauen gebrochen.

Das gemeinsame Europa sei nun aufgerufen, dem gegenwärtigen Chaos entgegenzutreten und solide eigenständige Wege in eine neue, gerechtere Zukunft zu entwickeln. Wörtlich heißt es in dem Grundsatzpapier: „Europa muss die Einhaltung von Verträgen einmahnen, auf Geltung des Rechts beharren. Es darf im Eigenen keine Autokratien zulassen und muss im Äußeren seinen Beistand für jene leisten, die für Frieden, Freiheit und Menschenrechte eintreten und für Demokratie demonstrieren.“

Die neue Weltordnung spricht von einem Europa der Chancen, das sich ökonomisch erneuert und mit dem Abbau von Bürokratie und überbordenden Gesetzen ein Klima der Innovation und Kreativität fördert. Dabei sind nicht nur die führenden Politiker:innen der liberalen Demokratien gefordert, sondern jeder und jede Einzelne.

Die „Fresacher Weltordnung“ finden Sie hier.

„WahnSinn – Welt in UnOrdnung?“

Zahlreiche Expert:innen aus verschiedenen Bereichen widmeten sich vom 5. bis 7. Juni in Villach und Fresach im Rahmen der Europäischen Toleranzgespräche diesmal dem Motto „WahnSinn – Welt in UnOrdnung?“ Mehrere Tage lang versuchte die Kärntner Denkwerkstatt Erklärungen zu liefern, warum die Welt offenbar aus den Fugen gerät und wie der Einzelne damit umgehen kann und soll.

Wenn der Rechtsstaat nicht mehr funktioniert, dann verschwindet das Vertrauen, warnte Cathrin Kahlweit bei der Eröffnung der Toleranzgespräche in Fresach. (Foto: Denk.Raum.Fresach)

In ihrer Eröffnungsrede am 5. Juni pochte die deutsche Autorin und Journalistin Cathrin Kahlweit auf die Notwendigkeit, die demokratischen Errungenschaften der Nachkriegsära mit allen Mitteln zu verteidigen. Rezepte gegen den Wahnsinn der Gegenwart in Politik und Wirtschaft habe sie keine, aber sie glaube an den guten, alten Sozialstaat als Stabilisator der Demokratie. „Tax the rich“ sei das Gebot der Stunde angesichts einer polarisierten Welt, in der die reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung 83 Prozent des weltweiten Vermögens besitzen und die Schere weiter aufgehe – und in der die reichsten zehn Prozent zwei Drittel der Erderwärmung verursachen, betonte Kahlweit.

Von der „Aufmerksamkeit und Achtsamkeit als Heilmittel gegen den Wahnsinn in unserer Welt“ sprach Manfred Sauer, Superintendent der Diözese Kärnten und Osttirol und Vereinsobmann des „Denk.Raum.Fresach“, bei der Eröffnung der Toleranzgespräche. „Ich bin überzeugt davon, dass Aufmerksamkeit und Achtsamkeit zwei sehr entscheidende Verhaltensweisen sind, die bei entsprechender Anwendung und Lebenshaltung eine heilsame Wirkkraft entwickeln“, betonte Sauer.

Europäische Toleranzpreise an Manfred Sauer und Friedrich Orter

Am Donnerstagabend, 5. Juni, wurde Sauer in Fresach für sein humanitäres Lebenswerk mit dem Europäischen Toleranzpreis der Stadt Villach und des „Denk.Raum.Fresach“ ausgezeichnet. Sauer habe über konfessionelle und politische Grenzen hinweg Respekt und Anerkennung für sein Engagement im Geiste der Toleranz, Demokratie und Menschenrechte erworben, so die Begründung des Kuratoriums der Toleranzgespräche.

Ebenfalls ausgezeichnet wurde der langjährige Korrespondent und Kriegsberichterstatter Friedrich Orter. Er erhielt den Europäischen Toleranzpreis für Demokratie und Menschenrechte der Stadt Villach. Seine packenden Reportagen aus vielen Krisenregionen und Kriegsgebieten der jüngeren Zeit hätten Fernsehgeschichte geschrieben, sein Einsatz für die Wahrheit und Befriedung der Welt sei legendär, so die Begründung der Jury.

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