Servus und Ciao

 
von Evangelischer Pressedienst

Michael Chalupka über die tiefere Bedeutung eines Grußes

Mein Vater ging spazieren. Jeden Tag. Er war ein Mann der Prinzipien. Traf er jemanden, den er kannte, lüpfte er seinen Hut, deutete eine Verbeugung an und sagte „gschamster Diener“. Der Gruß „gehorsamster Diener“ ist aus der Mode gekommen. Servus und Ciao sagen wir aber noch. Beide Weisen zu grüßen bedeuten dasselbe. Servus ist auf Lateinisch die Bezeichnung des Dieners, oder genauer des Sklaven, und auch Ciao kommt von Schiavo, dem italienischen Wort für Sklave.

Die Sklaverei ist abgeschafft. Das ist gut so. Der Gruß hat sich gehalten. Servus und Ciao sind eine ferne, aber tägliche Erinnerung, dass es sein Gutes haben kann, sich selbst aus freien Stücken in den Dienst anderer zu stellen.

Jesus hat seinen Jüngerinnen und Jüngern gesagt: „Der Größte unter euch soll euer Diener sein.“ In einer Zeit, in der Arbeit und Dienst nur etwas für Sklaven waren und es zum guten Ton der römischen Bürger gehörte, sich den Künsten, der Philosophie, der Politik und der Muße hinzugeben, war diese Aussage eine Provokation.

Es kann aber auch zur Attitüde werden, sich selbst als Diener zu bezeichnen, als Diener einer höheren Sache oder gar des Volkes. Nicht jeder, der sich als Diener bezeichnet, dient zum Guten, und schon gar nicht jeder wird dadurch zum Größten.

Mein Vater war ein kleiner Mann. Lüpfte er seinen Hut und grüßte mit „gschamster Diener“, fühlte er sich nicht zu Größerem berufen. Darin lag seine Größe.

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