Feiertage in Österreich auf dem Prüfstand

 
von Evangelischer Pressedienst

Podiumsdiskussion im Haus der Geschichte: „Feiertag – freier Tag?“

Wien (epdÖ) – Die Bedeutung gesetzlicher Feiertage in Österreich war am Montag, 20. Oktober, Thema einer Podiumsdiskussion im Haus der Geschichte Österreich. Unter dem Titel „Feiertag – freier Tag? Österreichs gesetzliche Feiertage auf dem Prüfstand“ diskutierten Expert:innen aus Religionswissenschaft, Zeitgeschichte und Kulturpolitik über Herkunft, Funktion und Zukunft dieser besonderen Tage.

„Die meisten gesetzlichen Feiertage in Österreich stehen in Zusammenhang mit dem Kalender der Römisch-katholischen Kirche“, wurde in der Einladung festgestellt. Doch immer weniger Menschen jedoch würden die religiösen Hintergründe dieser Feiertage kennen: „Österreich befindet sich in einem Wandel hin zu einer pluralen und individualisierten Gesellschaft, vor dessen Hintergrund die Legitimation der vorwiegend religiös geprägten Feiertage zur Debatte steht.“

Leonhard Jungwirth, Kirchenhistoriker an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, beleuchtete die Gründungsideale der Zweiten Republik und Diskurse rund um die Einrichtung neuer Feiertage zwischen 1945 und 1955. Er betonte, dass Feiertage immer auch „hart umkämpfte politische Symbole“ seien. Besonders in der Nachkriegszeit sei die Auswahl gesetzlicher Feiertage zu einem kulturpolitischen Streitpunkt geworden, so Jungwirth, der auch als theologischer Leiter im „Albert-Schweitzer-Haus – Forum der Zivilgesellschaft“ tätig ist.

Laut Jungwirth habe die politische Neuorientierung Österreichs nach 1945 auch Fragen religiöser Repräsentation und gesellschaftlicher Konsensbildung aufgeworfen. Die tiefen historischen Wurzeln solcher Auseinandersetzungen reichten bis in die Reformation zurück. Jungwirth verwies zudem darauf, dass bei der gesetzlichen Festlegung der Feiertage kein einziger jüdischer Feiertag berücksichtigt worden sei – ein Umstand, der ebenfalls viel über das gesellschaftliche Selbstverständnis jener Zeit aussage.

Soziale und kulturelle Funktion von Feiertagen

Religionswissenschaftler Dirk Schuster wies auf die Vielschichtigkeit des Themas hin. Feiertage seien nicht nur gesetzlich geregelte freie Tage, sondern erfüllten auch soziale und kulturelle Funktionen. Neben den staatlich anerkannten Feiertagen gebe es weitere, die innerhalb von Religionsgemeinschaften eine Rolle spielen, ohne gesetzlich verankert zu sein. Ein besonderer Fall sei etwa der 8. Dezember, Mariä Empfängnis: „Gesetzlich festgeschrieben, aber der Handel darf offenhalten“, so Schuster. Feiertage dienten dem Schutz religiöser Bekenntnisse ebenso wie historischen oder gesellschaftlichen Anliegen. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen hätten sich jedoch deutlich verändert. „Der Anteil katholischer Menschen an der Gesellschaft hat in den letzten 50 Jahren um 30 Prozent abgenommen“, erklärte Schuster. Für viele Menschen spiele Religion im Alltag keine Rolle mehr.

Monika Sommer, Gründungsdirektorin des Hauses der Geschichte Österreich, verwies auf die politische Bedeutung des Nationalfeiertags am 26. Oktober. Dieser sei ein bewusster Versuch gewesen, einen Feiertag zu etablieren, der nicht durch belastende historische Ereignisse geprägt sei. „Es war ein Versuch, einen eigenständigen Feiertag ohne Belastung aus der Geschichte davor, zu schaffen“, so Sommer. In den 1970er-Jahren wurde die Gestaltung des Feiertags zunehmend den Ländern und Gemeinden überlassen, häufig in Form von „Fitmärschen“.

Mitorganisiert wurde die Veranstaltung von der „Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich“ und vom „ASH – Forum der Zivilgesellschaft“.

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